GESCHÄFT MIT USA. ?

Ende 1932 fand Robert Schoettle einen dicken Brief aus Amerika auf seinem Schreibtisch. Die Absenderangabe: "The Manufacturers Distributing Co., Electrical Products, New York" ließ das Herz schneller schlagen. Sollten die Amerikaner etwa Interesse an Electrostar-Staubsaugern haben?

Bisher hatten die deutschen Staubsauger in den USA. so gut wie keinen. Markt, denn gegenüber der dortigen Produktion an Staubsaugern (1929: 1259998,1930: 960000, 1931: 686000,1932: 447000) war die deutsche produktion geradezu zwergenhaft. Die deutsche Ausfuhr Dach USA. erreichte 1931 knapp 100 Stück, 1932 etwa 120: Electrostar hatte daran mit etwa einem Drittel einen beachtlichen, wenn auch gegenüber seinen Exportziffern nach anderen Ländern geradezu lächerlichen Anteil.

In dem rapiden Rückgang des Staubsaugerabsatzes in den USA., der 1932 nur noch wenig mehr als ein Drittel des Wertes von 1929 betrug, spiegelt sich die auch in den USA. wütende Weltwirtschaftskrise. Die amerikanischen Staubsauger waren gut, aber wohl zu teuer, um bei der Verarmung weiter Volkskreise Doch genügend Käufer zu finden. Der Markt in den USA. rief J lach billigeren Staubsaugern !

Der Ruf des billigen und leistungsfähigen Electrostarmodells 5, des Volksstaubsaugers, war bald auch nach den USA. gedrungen. Und die amerikanische Elektro-GroßhandeIsfirma "MANUFACTURERS DISTRIBUTING CO." wollte in ihrem Brief nichts anderes, als ein sofortiges Angebot und die Übertragung des Vertriebs für Electrostar-Staubsauger in den USA. noch schneller schlug Robert Schoettles Herz, als er las, daß die amerikanische Handelsfirma an monatliche Abnahmequoten von 5000 dachte.

Und auf 20000 Staubsauger im Monat rechneten die Amerikaner als Fernziel.

Export nach USA., das war ein Fall, der allen Schweißes wert war. Wenn auch die gewünschten Liefermengen weit über den Rahmen des seitherigen Geschäftsumfanges hinausgingen, so wollte sich Robert Schoettle dieses Geschäft doch nicht entgehen lassen und jedes Risiko auf sich nehmen.

Er sagte den Amerikanern zu und unterbreitete sein Angebot, das eine Anfangslieferung von 1 000 Stück pro Monat vorsah, die bald auf 5000 Stück pro Monat gesteigert werden würde.

Die im Laufe der brieflich geführten Verhandlungen geäußerten Bedenken der Amerikaner, ob eine so kleine Firma diese Stückzahlen bewältigen könne, konnte Robert Schoettle mit dem Hinweis auf seine inzwischen bereits geleisteten und die geforderten Mengen garantierenden Vorarbeiten zerstreuen. Er hatte sofort neue Wickelmaschinen zur Bewältigung des einzigen Engpasses, der Motorenherstellung, konstruiert. die wenige Wochen später schon in Betrieb genommen werden konnten.

In den ersten Tagen des Jahres 1933 waren die Verhandlungen so weit, daß der Vertrag abgeschlossen werden konnte. Am 1. Februar 1933 erhielt Robert Schoettle den Vertragsentwurf der Amerikaner, den er nach wenigen Tagen mit geringfügigen Änderungsvorschlägen zur Fertigstellung zurück gab.

Am 27. Februar 1933 wurden von den Amerikanern noch einmal wenige kleine Änderungen. vor allem wegen der Sicherung des Patentschutzes, vorgeschlagen.

"TERMS ACCEPTED. ELECTROSTAR", das war die postwendende telegraphische Antwort aus Reichenbach.

Das Exportgeschäft mit den USA., das eine Vervielfachung der Produktion bringen würde, konnte gestartet werden. ...

Inzwischen war aber in Deutschland der böhmische Gefreite Adolf Hitler

zu einer politischen Laufbahn gestartet, die einmal das größte Leid über die Welt bringen sollte.

Mit einem aus wahnsinnigem Hau geborenen Terror gegen alles, was seine Ideologie nicht teilte oder ihr im Wege stand, begann Hitler "Das Dritte Reich". Die Verfolgung der Juden führte bald vom Programm zum Pogrom. Die gesittete Welt rebellierte, aber in Deutschland war man blind und taub; die öffentliche Meinung wurde unterdrückt - wer sich auflehnte, wurde mit brachialen Mitteln zum Schweigen gebracht.

Robert Schoettle, Zeit seines Lebens ein Mann von sozialistischer Haltung gewesen und Feind jeder faschistischen Tendenz, erhielt am 24. März 1933 mit einem Brief aus New York den ersten der Keulenschläge, die ihm das Dritte Reich bescheren sollte: Seine USA.- Geschäftsfreunde mußten unmittelbar vor dem Start das für sie gleichermaßen wie für Electrostar so hoffnungsvolle Geschäftsvorhaben absagen. Der folgenschwere Brief hatte folgenden Wortlaut:

March 24, 1933

Mr. Robert Schoettle,

Reichenbach, a/d Fils,

Wurttemberg, Germany.

Dear Sir:

We are in receipt of your telegram and letter advising that our revised agreement was acceptable to you, but are very sorry to inform you that none of the large merchandising concerns in this country will purchase material from Germany because of the anti-semitic prosecution of the Jews.

It certainly is too bad that this has come about because we have gone to a great expense in planning our sales program throughout this country and we also had formed a separate corporation to take care of the sales of the Electrostar machines.

It would be useless to place an order now because there is no possibility of merchandising any product which is made in Germany at this time.

Just as soon as conditions change, we will renew negotiations with you as we know that we could have disposed of a tremendous quantity of your machines and other appliances through the nation wide sales organization which we have.

Yours very truly, R. M. COHEN

RMC: BR MANUFACTURERS DlSTRIBUTING CO.

Die deutsche Übersetzung: Sehr geehrter Herr!

Wir bestätigen den Empfang Ihres Telegramms und Ihres Briefes, mit denen Sie Ihr Einverständnis zu dem von uns revidierten Ver- trag erklärten. Leider müssen wir Ihnen aber mitteilen, daß infolge der antisemitischen Verfolgung der Juden keine der großen Handelsgesellschaften unseres Landes bereit ist, Waren aus Deutschland zu kaufen.

Wir bedauern außerordentlich, daß dies dazwischen kam, denn wir haben bereits mit erheblichen Kosten unsere Verkaufsvorbereitungen im ganzen Lande geplant und hatten auch schon eine besondere Abteilung eingerichtet, die den Vertrieb der Electrostar- Maschinen betreuen sollte

Es wäre zwecklos, Ihnen unter den gegebenen Umständen einen Auftrag zu erteilen, da es ganz ausgeschlossen ist, gegenwärtig hier ein Erzeugnis auf den Markt zu bringen, das aus Deutschland kommt.

Sobald sich die Verhältnisse geändert haben, werden wir unsere Verhandlungen mit Ihnen wieder aufnehmen, denn wir sind über- zeugt, daß wir durch unsere das ganze Land umfassende Verkaufsorganisation eine gewaltige Anzahl Ihrer Maschinen und Geräte verkaufen könnten. Ergebenst

R. M. COHEN

MANUF ACTURERS DISTRIBUTING CO.

So also war die Reaktion des Auslandes gegenüber dem Deutschland nach dem 30. Januar 1933! Das schöne Geschäft mit Amerika konnte abgeschrieben werden; die bereits für den Kundendienst in den USA. vorgesehen gewesenen und besonders geschulten Electrostar-Monteure mußten ihre Reisepläne begraben.

Daß man unter diesen Umständen den Arbeiterfeiertag am 1. Mai 1933 ohne große Begeisterung für Hitlerfahnen und Fanfaren feierte, wer wollte daran Anstoß nehmen?

Am 24. Oktober 1933 folgte der zweite Keulenschlag:

S'1'1RLING'S WHOLESEALE WAREHOUSEMAN GLASGOW-C 1, einer der großen Electrostar-Kunden in England, schrieb:

...und bedauern sehr, daß wir weitere Geschäfte mit Ihnen nicht mehr tätigen können. Mit einem Land (so wie sich das Ihrige gegenwärtig präsentiert), das gleiche Rechte fordert und solche anderen nicht zugesteht, die in diesem Lande wohnen, können wir keine Geschäftsverbindung unterhalten.

Wir hoffen, daß es auch in Ihrem Land bald wieder so wird, daß jedermann, Mann, Weib oder Kind, und gleich welcher Religion oder politischen Ansicht, die gleichen Rechte zugestanden werden. Dann und erst dann wird sich die Welt wieder freuen, mit Deutschland arbeiten zu können.

Wir sind überzeugt, daß diese unsere Auffassung in Groß-Britannien allgemein geteilt wird und soweit wir aus der Presse wissen, teilt die ganze Welt diese Ansicht. Sobald sich Deutschland bemühen wird, sein Unrecht gut zu machen (wir hoffen bestimmt, daß es dies tun wird), werden wir uns sehr darüber freuen und unsere Geschäftsbeziehungen wieder aufnehmen. Hochachtungsvoll

STIRLING'S (GLASGOW) L TD., R. SPENCER DIRECTOR.

Wohin wird diese deutsche Politik gegen Recht und Gerechtigkeit führen ? Was wird aus dem deutschen Exportgeschäft werden, wenn nach Amerika und England die anderen Staaten eine gleiche, durchaus berechtigte Haltung einnehmen ?