DER MECHANIKERGESELLE SIEHT SICH UM ...

So stark die persönliche Bindung zu seinem hochgeachteten Meister war, so sehr drängte es den strebsamen jungen Mechaniker Robert Schoettle danach, seinen Gesichtskreis zu erweitern und seine fachlichen Kenntnisse zu vertiefen. Nach kurzer Gesellenzeit in der Sindelfinger Webereimaschinenfabrik Kapisch zog es ihn aber doch wieder zurück zu seinem guten alten Meister Maurer, der anschließend wieder 1 Jahr lang treue Dienste leistete; diesmal aber mehr an der Drehbank und in der Herstellung von hochwertigen Werkzeugen, da der junge Mechaniker damals schon erkannte. daß dem Dreher und Werkzeugmacher bei der sich anbahnenden allgemeinen technischen Entwicklung beste Arbeitsmöglichkeiten geboten waren. Nach dieser wertvollen zusätzlichen Lehrzeit brachte Robert Schoettle genügend Rüstzeug mit, als er in den folgenden Jahren bis zum Beginn des 1. Weltkriegs bei der sehr geachteten Spezialfabrik für Verpackungs- und Ettiketiermaschinen Friedrich Keese in Stuttgart-Ostheim, bei dem auf dem Gebiet der Kinematographen-Herstellung führenden Fabrikanten Eugen Bauer in Stuttgart und schließlich bei der Weltfirma Robert Bosch in Stuttgart als Werkzeugmacher arbeitete.

Überall war der junge Handwerker ob der Präzision seiner Arbeit, seinem Fleiß und seinen vielfach durchgebrachten eigenen Ideen für den Bau von Werkzeugen und für Fertigungsverbesserungen sehr geschätzt und jedesmal bedurfte es eines harten Kampfes, bis ihn seine Arbeitgeber wieder frei ließen, damit er anderweitig "hineinsehen" konnte.

Besonders bei Robert Bosch lernte er noch sehr viel dazu und neben dem 1"ein Fachlichen, das ihn bei Bosch interessierte, waren es vor allem auch die sozialen Gesichtspunkte, die der damals schon führende und revolutionäre Unternehmer Robert Bosch in seinen Werken sichtbarlich vertrat, die den mehr und mehr von einer sozialistischen Grundhaltung ergriffenen Robert Schoettle beeindruckten. Robert Boschs Grundsätze von der Arbeit und vom Verdienen, vom Vertrauen der Kundschaft und in seinem Verhältnis zur Arbeiterschaft, sind in dem jungen Arbeiter Robert Schoettle fest haften geblieben.

"Lieber Geld verlieren als Vertrauen", dieses Wort Robert Boschs machte wohl den stärksten Eindruck auf ihn und der Grundsatz: "Ich zahle keine hohen Löhne weil ich viel Geld habe, sondern ich habe viel Geld, weil ich hohe Löhne zahle" leuchtete ihm ebenso ein.

Diese Jahre des Reifwerdens als technischer Könner einerseits, wozu der regelmäßige und überaus ernst genommene Besuch gewerblicher Abendkurse erheblich beitrug, und als klassenbewußter Arbeiter andererseits wurden 1910 und 1911 von der 2-jährigen Militärdienstzeit im Stuttgarter Infanterieregiment 125 unterbrochen. Unliebsam, möchte man sagen, denn der Sinn des den sozialistischen Gedanken aufgeschlossenen und durchaus selbstbewußt gewordenen jungen Mannes stand nicht nach dem militaristischen Gehorsam, wenngleich er keinesfalls renitent war und einem gerechten Orduungsprinzip stets huldigte,

Rein körperlich "schlauchte" ihn der militärische Drill in der Stuttgarter Rotebühlkaserne freilich nicht, denn schon als Lehrling und in den folgen- den Jahren erst recht war er ein eifriger Besucher des Schwerathletik- Trainings beim Stuttgarter Sportverein "Spartania 1893" und seine Leistungen im Gewichtheben und auf der Ringermatte brachten ihm manche Siegertrophäe. Was dem "Federgewichtler" Schoettle an Muskelpaketen fehlte, wurde beim Gewichtheben durch unbändige Energie und beim Ringkampf durch blitzschnelles Reaktionsvermögen und elastische Schnellkraft ersetzt. Dies mußte mancher starke Gegner erkennen, als er oft in Sekundenschnelle durch einen satt sitzenden Hüftschwung auf die Schultern gezwungen wurde.

Der einzige Sonderurlaub, den der Rekrut Schoettle während seiner Militärzeit erhielt, wurde ihm zu einem schweren Gang: Es galt, den Vater, der nach einem Leben voll harter fleißiger Arbeit hinter der Hobelbank im Februar 1910 starb, zur letzten Ruhestätte auf dem Stuttgarter Prag-Friedhof zu geleiten.