DAS GEHEIMNIS: MARKT-INSTINKT

Wenn auch das ,,3 in einem"- Gerät täglich neue Exportaufträge brachte und selbst in Deutschland viele Kunden fand, so war es doch noch lange nicht das letzte Wort. Einmal konnten seine Vorzüge nur von gutsituierten Kreisen voll ausgenützt werden, z. B. als Bohner und als Antriebsmotor für Küchen- und Haushaltzwecke; zum andern war sein Preis zwangsläufig höher als der eines Nur-Staubsaugers. Als Antriebsmotor für Küchenzwecke braucht er zudem ein besonderes Küchengetriebe mit den notwendigen Einsatzgeräten (Fleischwolf, Reibe, Presse usw.). Robert Schoettle erkannte die begrenzte Marktfähigkeit dieses Gerätes schon zu einer Zeit, da die Nachfrage nach ihm noch im Steigen war.

Wenn man dem geschäftlichen Erfolg mancher Unternehmen nachspürt, die aus kleinen Anfängen heraus sich allen Krisen und Einflüssen zum Trotz stetig entwickelten, so findet man als letzte Ursache meist eine beständige Marktgängigkeit seiner Erzeugnisse. Der gute Instinkt für die Marktentwicklung, das ist mit eines der großen Geheimnisse jeden geschäftlichen Erfolges.

Robert Schoettle hat diesen Instinkt und handelt entsprechend. Auch wenn dabei sein liebstes Kind, das "drei in einem"- Gerät, zu kurz kommen sollte. Er bewies ihn ein anderes Mal bei seinem Electrostar-Fleischereigerät, das als Hackklotzreiniger, Knochensäge und Fleischzerteiler ein zweifellos hochwertiges Werkzeug für Metzgereibetriebe darstellt. So brauchbar eine solche Fleischereimaschine an sich ist - unter 10000 Einwohnern kaufen alle 10000 Schuhe und Strümpfe, 500 kaufen sich einen Staubsauger, aber nur ein Dutzend eine solche Fleischereimaschine. Die Tatsache, daß in Staubsaugern und Hackklotzreinigern ähnliche Motoren eingebaut sind und daß diese Geräte in der Fabrikation gut zu einander passen, berechtigt noch lange nicht zur Aufnahme der Fleischereigeräte in die Fabrikation, weil die Kundschaft und die notwendige Verkaufsorganisation für die beiden Artikel auf ganz anderen Ebenen liegen. Gewiß, das Fleischereigerät läuft in der Electrostar-Produktion mit, aber eine Intensivierung seines Verkaufs wäre neben dem vielfach größeren und größere Möglichkeiten bietenden Staubsaugergeschäft unklug.

Die Herstellung der Heißluft-Dusche liegt dagegen eindeutig auf der vom Staubsaugergeschäft gegebenen Linie, weil für sie die gleichen Händler und Verbraucher in Frage kommen. Die Verkaufsorganisation für dieses Gerät braucht also nur geringe Mittel.

Mit dieser Heißluft-Dusche brachte Robert Schoettle übrigens schon in den zwanziger Jahren ein Erzeugnis auf den Markt, das es im wahrsten Sinne des Wortes "in sich" hatte. In den Anfangsjahren des Staubsaugers wurden zur Erzeugung von Warmluft in den Blasschlauch Heizspiralen eingebaut. Weil sie an der Apparatseite des Schlauches angeordnet waren und mit einem besonderen Schalter eingeschaltet wurden, ergaben sich als Nachteile brüchig werdende Schläuche, weil die warme Luft durch den ganzen Schlauch strömte, und zudem oft durchgebrannte Heizspiralen. Wurde nämlich die Heizspirale eingeschaltet, ohne daß vorher der Staubsauger eingeschaltet war und Blasluft durch den Schlauch und die Spirale strömte, dann erhitzte sich die Spirale so stark, daß sie nach kurzer Zeit durchbrannte. Hausfrauen sind hin und wieder vergeßlich - es kann an der Glastüre klingeln oder das Telefon läuten, die Heizspirale ist eingeschaltet, der Staubsauger noch nicht, oder der Staubsauger wird ausgeschaltet und die Heizspirale vergessen - und schon ist sie durchgebrannt.

Robert Schoettle baute deshalb nicht nur die Heizspirale an das andere, das handgriffliche Ende des Schlauches und beseitigte damit den vorzeitigen Verschleiß des Schlauches; er fand auch einen automatischen Schalter für die Heizspirale, wodurch diese erst und ohne Zutun der Hausfrau eingeschaltet wird, wenn Luft durch den Schlauch strömt. Dieser Membranschalter, als deutsches Reichspatent anerkannt und bisher unübertroffen, machte die Heißluft-Dusche endgültig zu einem Gerät, das jenem Anspruch genügt, dem Haushaltgeräte genügen müssen: "foolproof" zu sein, also narrensicher oder miagriffsicher -von jedem Narren richtig, von jedermann ohne Mißgriff bedient werden zu können.

Beim Electrostar-Händetrockner, dessen Bauart sich vom ersten Stück bis zur heute noch gefertigten Ausführung so gut wie nicht geändert hat, wird an Stelle des Membranschalters ein besonderer Fußschalter verwendet, der Heizspirale und Gebläse gemeinsam schaltet. Bei der Pariser Weltausstellung 1937 fand dieser Händetrockner besondere Aufmerksamkeit bei den Besuchern aus allen Weltteilen.

Der geringe Markterfolgeiner 1935 herausgebrachten Hochfrequenzspule, die als Kraftfahrzeug-Notzündapparat und als Hochfrequenz-Heilapparat verwendet werden konnte, wurde sofort erkannt und ohne falschen Stolz ließ Robert Schoettle dieses durchaus praktische. aber vom Markt eben mißtrauisch aufgenommene Gerät in der Versenkung verschwinden.

Ähnlich erging es einem in seiner Wirkungsweise verblüffenden und überaus praktischen elektrischen Fliegen- und Insektenfänger, der mit einer Glühlampe und einem Ventilator arbeitete. Der Aufwand für die Bearbeitung des Marktes und die notwendige Werbung für dieses Erzeugnis standen in einem am Staubsaugergeschäft gemessen denkbar ungünstigen Verhältnis zum möglichen Verkaufserfolg.

Mehr Aussicht bot auf dem deutschen Markt ein Spezialstaubsauger, der als kombinierter Absaug- und Warmluftapparat an Strick- und Wirkmaschinen aller Art verwendet werden kann. Mit diesem Gerät können nicht nur beim Ingangsetzen der kalten Maschine die Nadelbetten mit Hilfe der Heißluft- dusche angewärmt werden {wodurch Fehlmaschen verhütet werden), es wird auch der Wollstaub und Flugflaum abgesaugt und die Leistung der Maschine dadurch verbessert. So gut aber dieses Gerät ist, eine Forcierung des Verkaufs lohnt sich nicht, da der Einbau bei den vielerlei Typen von Strick- und Wirkmaschinen ebenso viele Sonderausführungen von Befestigungs- und Schlauchanordnungen verlangte und sich deshalb wirtschaftlich, wiederum verglichen mit dem glatteren und vielfach umfangreicheren normalen Staubsaugergeschäft, nicht günstig entwickeln konnte.

So ist also das nüchterne Erkennen des Marktes, der Marktinstinkt, ein wichtiger Faktor für den dauerhaften wirtschaftlichen Gesamterfolg eines Unternehmens.