EPISODE IN LONDON

An jenem 10. Dezember 1936, als Eduard "III., König von England, ab- dankte, saß Robert Schoettle im Hotel Royal in London inmitten eines Kreises englischer Elektro-Kaufleute. Es ging um nichts anderes, als um die Errichtung einer deutschen Staubsaugerfabrik in England.

Alexander Subkis, ein in Berlin lebender Russe aus Odessa, der mit Electrostar seit langem geschäftliche Beziehungen unterhielt, hatte den Vorschlag gemacht, eine Produktion in England aufzuziehen. Nur so versprach bei den hohen Fracht- und Zollkosten eine Bearbeitung des englischen Marktes Erfolg.

Electrostar sollte die wichtigsten Einzelteile nach England liefern, wozu die Genehmigung der deutschen Reichsregierung grundsätzlich erteilt wurde. Die Fertigung der übrigen Teile und die gesamte Montage sollte in einer neu zu errichtenden Fabrik in England vorgenommen werden. Schon war ein Bauplatz für diese Fabrik in Wembley in der Nähe des Londoner Weltausstellungsgeländes gesichert.

Subkis hatte sich einige Wochen vorher mit Robert Schoettle in London getroffen und damals sofort mit den englischen Interessenten eine Besprechung geführt, die zum Ergebnis hatte, daß Robert Schoettle bald ein- gehende Vorschläge unterbreiten solle. Voll guter Hoffnung kehrte er zurück und ging an die Ausarbeitung der Pläne und Verträge.

In der Frühe des 10. Dezember wartete er zusammen mit seinem Prokuristen Bauer, seinem Sohn Robert, der inzwischen als tüchtiger Kaufmann in das Geschäft des Vaters eingetreten war, und mit Alexander Subkis, mit allen notwendigen Vertrags- und Arbeitsunterlagen versehen, in Amsterdam auf das Kursflugzeug nach London.

Die Stunden verrannen, das Flugzeug kam nicht! Es war kurz nach dem Start in Croydon abgestürzt, sämtliche Insassen tot!

Da eine zweite Maschine den Kurs nicht beflog, blieb nur noch die Reise per Schiff. Dazu waren aber Gulden nötig und solche hatten sie als devisenarme Deutsche natürlich nicht. Erst als nach langwierigen Verhandlungen die Flughafenverwaltung den Flugschein zurücknahm und in Gulden vergütete, konnte die Reise fortgesetzt werden.

Schon waren die zahlreichen Interessenten versammelt, vorwiegend Londoner Elektrogroßhändler, als die Electrostar-Männer eintrafen.

Als nach stundenlangem Verhandeln und Rechnen trotz äußersten Zugeständnissen das Endergebnis sichtbar wurde, stellte man fest, daß die geplante Staubsaugerherstellung in England erheblich teurer kommt als der Verkaufspreis des aus Deutschland fertig gelieferten Electrostar-Staubsaugers. Die Ursache waren die höheren Löhne und die höheren allgemeinen Fertigungskosten, mit denen in England gerechnet werden mußte. Es blieb nichts anderes übrig, als das Projekt abzublasen.

Das erschütterte Gleichgewicht war auf der Rückfahrt über den Kanal weiteren Erschütterungen ausgesetzt, denn es tobte ein Sturm, von dem sich die Schwaben lange nicht erholten.

AIexander Subkis, der trotz dieser Enttäuschung in England blieb und sich dort seßhaft machte, bewog Robert Schoettle, noch einen Tag in London zu genießen und am anderen Tag erst heimzureisen. Das Pflichtgefühl seinem Werk gegenüber und eine innere Unruhe zogen ihn jedoch nach Hause. An diesem anderen Tage aber wuchs der Sturm zum gewaltigsten Orkan aus, der seit Menschengedenken im Kanal tobte und der viele Schiffsopfer forderte. Robert Schoettle war seiner inneren Stimme dankbar .

Diese Englandreise, mit dem bösen Vorzeichen des Flugzeugabsturzes begonnen und mit einer Sturmfahrt beendet, dazwischenliegend eine herbe Enttäuschung, nahm, ein Jahrzehnt später betrachtet, doch noch ein für Electrostar glückliches Ende.