REICHENBACH/FILS -DIE NEUE HEIMAT!

Wenige Kilometer vom württembergischen Eisenbahnzweigpunkt Plochingen entfernt, wo der Neckar im scharfen Winkel nach Nordwesten abbiegt, um an Eßlingen vorbei ins Gebiet der schwäbischen Landeshauptstadt Stuttgart einzuströmen, liegt Reichenbach.

Ein Glück, daß die liebliche Fils in dem Tal fließt, das sich von Plochingen aus gen Osten hin in das sagenumwobene Hohenstaufenland mit der industriereichen Stadt Göppingen hinein erstreckt. So konnte sich nämlich Reichenbach als der letzte Ort, den die Fils vor ihrer Einmündung in den Neckar bei Plochingen passiert, zur Unterscheidung von den vielen Orten gleichen Namens in deutschen Landen eine eindeutige und leicht zu merkende geographische Kennzeichnung zulegen: Reichenbach an der Fils.

Im Wetterwinkel zwischen dem Neckartal mit seinem milden Klima und den Ausläufern der Alb mit ihrem subalpinen Klima liegt Reichenbach am südlichen Ende des Schurwaldes klimatisch denkbar ungünstig. Die Landwirtschaft der Kleinbauern ist deshalb und bei dem zudem noch rauhen Boden hier nicht gerade erträglich.

Ein Spaßvogel im einstmaligen Göppinger Oberamt kennzeichnete die kargen natürlichen Gegebenheiten des Ortes durchaus treffend, als er meinte: Reichenbach müßte eigentlich "Armenbach" heißen!

An den Bewohnern lag dies allerdings nicht, wie sich in den letzten Jahr- zehnten erwies. Mehr und mehr verdienten sich die Reichenbacher, die als gute Facharbeiter in den bekannten Industriezentren der Kreisstädte Eßlingen und Göppingen geschätzt waren, mit fleißigen Händen in den in immer größerem Umfang ortsansässig gewordenen Gewerbe- und Industriebetrieben ihr Brot. Eine starke Steigerung der Einwohnerzahl von wenig über 2100 im Oktober 1919 auf knapp 2400 im Sommer 1925 und an die 3000 im Jahr 1946 und eine große Zahl neuer Häuser kann in dem mit wenig natürlichen Schätzen gelegenen Ort nur eine zwangsläufige Folge des Fleißes seiner Bewohner sein.

Neben der Spinnerei und Weberei Heinrich Otto ist zunächst eine vielseitige Holzwarenfabrikation in Reichenbach heimisch geworden, deren Erzeugnisse (vor allem Küchen- und Haushaltsartikel) weithin einen guten Ruf haben. Auch eine große Wellpappe-Fabrik und eine Werkzeugmaschinenfabrik haben die Reichenbacher Produktion in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg erheblich bereichert.

Um die Jahreswende 1928/29 war es soweit, daß Robert Schoettle mit allem lebenden und toten Inventar aus der Friedhofstraße in Stuttgart aus- und in

Reichenbach einziehen konnte.

Damit erhielt Reichenbach ein industrielles Unternehmen, das in der Folgezeit bald eine führende Stellung unter den ortsansässigen Betrieben einnehmen sollte.

Der Bürgermeister des Ortes nahm lebhaftes Interesse an dem neuen und hoffnungsvollen Unternehmen in seiner Gemeinde, da er nicht nur neue Arbeitsmöglichkeiten für seine Reichenbacher Männer und Frauen, sondern auch für manchen "Pendler", der täglich nach Eßlingen oder nach Göppingen zur Arbeit fuhr, einen günstigeren Arbeitsplatz erhoffte. Täglich 2 bis

3 Stunden Weg von und zur Arbeitsstätte erspart, das kommt dem "Gütle" zugute, das die meisten Reichenbacher Arbeiter noch besitzen und das wohl oder übel nach Feierabend bestellt werden muß.

Nicht nur dem Einzelnen, Arbeit am Platze kommt logischerweise in vielfacher Form dem allgemeinen örtlichen Wohlstand zugute. So ließ Robert Schoettle seit seinem Einzug in Reichenbach das ortsansässige Handwerk, die Maurer und Gipser, Schlosser und Schreiner, die Maler und Installateure bis auf den heutigen Tag nicht mehr zur Ruhe kommen. Als die ersten notwendig gewesenen Umbauten für die Zwecke des sich neu einrichtenden Unternehmens beendet waren, kamen Jahr um Jahr Ergänzungs- und Erweiterungsbauten mit einer Fülle von Aufträgen für das Handwerk. So wirkt Robert Schoettle seit 1929 als ein starker Motor im Reichenbacher Schaffen. Daß der "Neue" von den Reichenbachern bald geachtet und mit Stolz als einer der "Ihren" genannt wird, ist angesichts der Entwicklung, die sein Werk in Reichenbach nahm, nicht wunderlich.