FREUNDE AUS FRANKREICH UND HOLLAND

Im Sommer 1929 war's, als in Reichenbach ein älterer Herr mit unverkennbar französischen Zügen an der Hauptstraße von Stuttgart nach Ulm, die sich mitten durch den Ort zieht, nach dem Electrostar - Firmenschild Aus- schau hielt. Er hatte von Electrostar gehört und sah auf dem französischen Markt ein gutes Geschäft für Staubsauger. Dieses Geschäft wollte er, der Elektrokaufmann Louis Prunier aus Paris, machen. Deshalb war er nach Reichenbach gekommen.

Was er hinter dem Firmenschild der Electrostar - Fabrik an Menschen, Arbeitseifer und Erzeugnissen kennenlernte, gefiel ihm auf den ersten Blick. Und da auch Robert Schoettle an dem würdigen Herrn aus Frankreich Gefallen fand und einen Großvertreter für den französischen Markt wünschte, war das Geschäft bald perfekt.

Statt der erhofften Bestellung von einigen Hundert oder Tausend Apparaten bestellte Louis Prunier aber nur ein knappes Dutzend Muster! Er war ein vorsichtiger Mann.

Die Enttäuschung über diese kleine Bestellung wich jedoch bald einer großen Freude, als Monsieur Prunier nach Wochen berichtete, daß er mit den Mustern aus Reichenbach den französischen Markt untersucht habe und guter Hoffnung sei, ein handfestes Dauergeschäft zu erzielen; Electrostar könne ab sofort mit dem französischen Markt rechnen. Den ersten größeren Aufträgen des Franzosen folgten fortlaufend weitere und kaum einer der vielen ausländischen Geschäftsfreunde hat so treu zu Electrostar gehalten wie dieser charaktervolle französische Kaufmann, der bald zu den ständigen Besuchern des gastlichen Hauses in Reichenbach zählte.

Es war Louis Prunier, der 1930 Robert Schoettle bewog, einen elektrischen Kühlschrank zu bauen, für den er in Frankreich einen besonders guten Markt erhoffte. Robert Schoettle reizte diese Aufgabe und er löste sie gut; noch heute steht dieser Kühlschrank in Reichenbach. Prunier war von der Konstruktion befriedigt und bereit, das notwendige Kapital für den Großserienbau vorzuschießen. So verlockend aber das Angebot war - Robert Schoettle konnte sich nicht dazu entschließen; die fabrikatorischen Voraussetzungen waren nicht gegeben.

Elektro-Kühlschränke zu bauen ist fraglos noch um einen Grad schwieriger, als die Staubsaugerherstellung. Er fürchtete sich zwar nicht vor den technischen Schwierigkeiten und ahnte den Siegeszug des Elektrokühlschrankes auch in Europa voraus (in den USA ist die Kühlschrankindustrie nach der Kraftfahrzeugindustrie die zweitgrößte des Landes), aber er kannte seine fabrikatorischen Grenzen. Sein Unternehmen war auf die Staubsaugerproduktion spezialisiert und diese Produktion würde mit den Jahren zweifellos noch größer werden. Es hieße zwangsläufig den Wirkungsgrad dieser absatzgesicherten Produktion beeinträchtigen, wenn daneben auch noch die viel schwerere Maschinen erfordernde Kühlschrankproduktion aufgenommen würde. Monsieur Prunier bedauerte, aber er anerkannte die Gedankengänge Robert Schoettles, der damit ein bemerkenswertes Beispiel vorsichtig ab- wägender Geschäftspolitik gab.

Für die Forderung der Amsterdamer Gebrüder Regoord, die als Großkaufleute von alter Tradition den holländischen Markt für Electrostar-Staubsauger gut und erfolgreich bearbeiteten, waren dagegen andere Voraussetzungen gegeben. Die Regoords und ihre Kunden waren des Lobes voll über die Qualität der Electrostar-Erzeugnisse, aber sie konnten angesichts der mit immer billigeren Geräten in Erscheinung tretenden schwedischen und amerikanischen Konkurrenz ohne einen ganz wesentlich billigeren Staubsauger auf die Dauer das gute holländische Geschäft nicht halten. "Sie können gut konstruieren und fabrizieren korrekt, Sie müssen aber gut und billig konstruieren und korrekt und noch billiger fabrizieren, dann machen Sie erst das gute Geschäft."

Hier war der Angelpunkt, mit dem sich Robert Schoettle seit Wochen schon beschäftigt hatte.

"Ein Staubsauger, mit dem auf die Dauer das große Geschäft zu machen ist, muß so billig sein, daß ihn ein großer Verbraucherkreis kaufen kann. Denn nur was zu bezahlen ist, wird in Mengen verlangt. Mengen können aber billiger hergestellt werden. Mengen, das ist der Angelpunkt!"

Mit seinem bewährten kaufmännischen Mitarbeiter und Neffen Adolf Ermer fuhr Robert Schoettle nach Amsterdam, um an Ort und Stelle mit den Gebr. Regoord zu verhandeln. Heiß war das Ringen und entscheidend die Erkenntnisse aus den Debatten mit den Praktikern des Verkaufs in einem Lande, wo gegen stärkste Konkurrenz zu kämpfen ist.

Im Speisewagen von Amsterdam nach Aachen entwickelte Robert Schoettle seinem Neffen den großen Plan: "Wenn wir unseren Preis auf den dritten Teil des Preises für unseren großen Apparat herunterbringen wollen, dann müssen wir eine einfachere Konstruktion herausbringen und die Produktion auf das fünf- bis zehnfache steigern. Die Konstruktion ist auf dem Papier fertig, jetzt bauen wir das neue Modell und dann steigen wir in die Massenproduktion ein. Das Risiko müssen wir auf uns nehmen! Unsere Zulieferer werden sich wundern, wenn wir plötzlich das zehnfache an Kabeln und Schaltern, Deckeln und Gehäusen, an Beschlägteilen und Zubehör bestellen. Aber wir bestellen! Und herauskommen muß am Ende der „Volksstaubsauger!"