KAMPF UM DEN DEUTSCHEN MARKT

Auch in Deutschland wurden Staubsauger verkauft. In beachtlichen Mengen sogar. Nur war der Electrostar.;Anteil recht gering. Denn der überwiegende Teil der Electrostar-Produktion ging über die Grenzen des Landes hinaus, um wertvolle Devisen einzubringen Bis dahin kannte man den Electrostar-Staubsauger im Ausland weit besser als in Deutschland. Jetzt, 1934, mußte sich Robert Schoettle angesichts des Exportschwundes auf den deutschen Markt konzentrieren.

"Es wird einen schweren Kampf kosten, in Deutschland Fuß zu fassen. Die Konkurrenz ist stark und hat seit Jahren alle Positionen besetzt. Die GroßhandeIsfirmen sind restlos auf die im deutschen Markt eingeführten und bekannten Markenfabrikate festgelegt. Wir werden schwer beikommen, aber wir müssen beikommen!"

Die beiden Gleise, in denen der Staubsaugerverkauf in Deutschland rollte, waren recht ausgefahren. An einem Gleis lag die Großkundschaft, der Elektro-Groß- und Kleinhandel; am andern Gleis stand in dichtester Stationenfolge der Einzelvertreter, der direkt an den Verbraucher verkaufte. Das waren jene Herren, die bald beliebte Witzblatt-, Roman- und Filmfiguren wurden, als ihr berühmter Trick und ein berühmter Reinfall die Runde im Lande machte:

Altehrwürdiges Patrizierhaus, 2 Treppen hoch, Glastüre. "Tach, gnä' Frau! Moment bitter" Schon stand der elegante Herr mitten im Salon, zieht sein Säcklein aus der Tasche und streut mit affenartiger Geschwindigkeit zum Entsetzen der Hausfrau Staub, richtigen dicken Straßenstaub auf den schönen Parkettboden und auf die Perserbrücke, auf Sofa und Polstersessel. "Aber mein Herr, sind Sie wahnsinnig?"

"Nein, gnä' Frau, ich will Ihnen nur im Auftrag meiner Firma eine Galavorstellung geben, wie hoppla-hopp der dickste Staub, der größte Schmutz gefahr- und restlos alle ist."

Mit sicheren Griff holt er aus seinem Musterköfferchen einen Staubsauger hervor, greift nach dem Anschlußkabel und sucht die Steckdose.

"Moment. gnä' Frau, die Steckdose bitte. .."

"Steckdose? Wir haben keine Steckdose, wir haben Gas!"

Wer den Schaden hat. ..

Das leichtere Geschäft war auf dem ersten Gleis zu erwarten, da es bei ein- mal geschlossenem Kontakt laufend größere Aufträge einbrachte.

Die Bearbeitung des zweiten Gleises dagegen war nicht nur aus personellen Gründen schwieriger; sie beanspruchte just ein doppelt so großes Kapital. Die Einzelvertreter wollten nämlich für jeden Auftrag, den sie der Firma einsandten, sofort die zustehende Provision gutgeschrieben haben. Das war so üblich.

Noch ehe also der Staubsauger das Werk verläßt und lange bevor der Empfänger die Ware überhaupt bezahlt, muß ein fetter Teil des Rechnungsbetrags an den Vertreter aus der Kasse ausbezahlt werden, ganz abgesehen von den Vorschüssen, die beim Aufbau des Vertreternetzes nicht zu umgehen sind. Ein Geschäft auf dem zweiten Gleis verschlingt demnach, mindestens zum Aufbau, ein erhebliches Kapital.

Mit den Erfahrungen aus dem Bau des für Holland entwickelten Volksstaubsaugers Modell 5 war es für Electrostar rein fertigungstechnisch kein Problem, auch für den deutschen Markt eine Typenauswahl zu schaffen, die allen Bedürfnissen gerecht wurde.

Nachdem Robert Schoettle schon 1931 mit seinem "Perkeo" den kleinsten Staubsauger der Welt gebaut hatte, der nicht größer als eine Weinflasche und als Handstaubsauger denkbar leicht zu gebrauchen war, entstand nun noch mit dem Modell 7 als neuer Schlager ein Kleinstaubsauger in Stielbauart, der ebenfalls viele Vorzüge aufwies.

Zusammen mit einem großen Luxusmodell, das die hervorragende Dreifach- Regulierung der Saugkraft und eine hohe Geräuschlosigkeit hatte, und dem Volksstaubsauger konnte Electrostar beim Start zum Kampf um den deutschen Markt mit einem Programm aufwarten, das jeder Konkurrenz standhielt.

Durch starke Intensivierung der Werbung um die Händlerkundschaft als Großabnehmer, um die direkten Verbraucher und um Vertreter war in verhältnismäßig kurzer Zeit auch für das deutsche Geschäft eine gute Grund- lage geschaffen. Weil Electrostar hielt, was seine Werbung versprach, waren die Staubsauger aus Reichenbach bald gegenüber den auf dem deutschen Markt alteingeführten Marken ein ebenbürtiger Begriff-

Während in Norddeutschland Generalvertreter-Firmen und Vertriebsgesellschaften auf eigene Rechnung Electrostar-Staubsauger verkauften, bearbeitete das Werk den süddeutschen Markt vorwiegend durch eigene Vertreter.

Daß der Aufbau einer so vielfältigen Verkaufsorganisation, wie sie nun einmal das Staubsaugergeschäft bedingt, dem Fabrikanten und seinem kaufmännischen Büro, vor allem dem Prokuristen Bauer und dem Chefbuchhalter Schray, manch graues Haar bescherte, ist kein Wunder.

Nicht immer waren es solide Leute, die beim Staubsaugerverkauf als Vertreter ihr Brot verdienen wollten und es bedurfte großer Menschenkenntnis und sorgfältigster Überwachung, um nicht Geld und seinen guten Ruf einzubüßen. "Firmentreue" war kein großer Begriff, Vorschuß und Provision - das waren die alleinigen Gedanken, die vorherrschten. Dabei war es

durchaus nicht so, daß die in die eigene Tasche geschäftstüchtigen Vertreter die guten Geschäfte machten. Electrostar hat von Vertriebsfirmen und Vertretern, die wie gute und ehrbare Kaufleute arbeiteten, prozentual weit mehr Aufträge erhalten.

Als das Ratenzahlungsgeschäft aufkam, wurden die Vertriebsverhältnisse noch schwieriger, doch auch diese Klippe konnte gemeistert werden.

in dem Fabrikanten Robert Schoettle überwog trotz allem kaufmännischen Geschick und ausgezeichneter kaufmännischer Mitarbeiter stets der Techniker, was sich in all den Jahren dadurch ausdrückte, daß Electrostar in der konstruktiven und immer stärker auch in der Fertigungspraxis der ausgesprochen kaufmännischen Vertriebspraxis stets eine Länge vorau.5 war.

Diese Tatsache wurde 00 1933 in bemerkenswerter Weise ausgenützt. Electrostar lieferte den großen Vertriebsgesellschaften Staubsauger mit deren "eigener" Marke. Die Pussel- und Mammouth- und Resi- und noch einige andere Staubsauger, die vor allem in Norddeutschland großen Absatz fanden, waren nichts anderes als gute, echte Electrostar-Fabrikate. Und je mehr sie ihrem eigenen Vater Konkurrenz machten, um so größer wurde dessen Umsatz.

Daß auch der deutsche Markt erfolgreich bearbeitet wurde, zeigte sich vor allem 1937 und 1938, wo jeweils nahezu 30000 Electrostar-Staubsauger von deutschen Haushalten gekauft wurden.