DER STERN VON BETLEHEM

Wenn Robert Schoettle während des Hitler-Reiches die braunen Männer ärgern konnte, so tat er es. Dem nazistischen Gedankengut war er grundsätzlich spinnefeind und die Briefe aus New York und London vom Jahre 1933 hat er nie vergessen. Bald waren diese Briefe nur noch Fetzen, denn Hunderten gab er sie zu lesen; vor allem solchen, die auf Hitler schworen. Den für die Geschäftskorrespondenz vorgeschriebenen Gruß "Heil Hitler" verweigerte er. Wenn schon ein Heil die Briefe schließen sollte, dann "Star-Heil!"

Dieser Electrostar-Gruß wurde in der Tat so lange angewandt, bis der zu- ständige "Hoheitsträger" der Nazipartei scharf protestierte und Zwangsmaßnahmen androhte. wenn nicht sofort in allen Geschäftsbriefen der Hitler-Gruß gebraucht würde. Robert Schoettle mußte persönlich bei der Göppinger Kreisleitung der NSDAP. die "Star-Heil"-Gummistempel abliefern.

Bei dieser Gelegenheit wurde auch die Form der Fabrikmarke "Electrostar" beanstandet, da "eine Ähnlichkeit mit den politischen Zeichen gewisser Parteien und Länder bestehe."

Wenn je ein Fabrikant an seiner Schutzmarke hängt, so Robert Schoettle. Er hatte dieses Zeichen 1925 selbst entworfen, seine ganze Belegschaft trug es als Abzeichen. Er war fest entschlossen, es zu verteidigen! Da er kein Flächen-Pentagramm, sondern ein 5-Zack-Band mit einem offenen Kern von gleicher 5-Zack-Form verwendete, und da der Stern stets mit einer ovalen Einfassung erschien, hatte er starke Gegenargumente in Händen.

Wenige Tage nach diesem Angriff brachte Electrostar ein Flugblatt heraus, das die gesetzlich geschützte Schutzmarke mit dem Stern von Betlehem und dem altdeutschen Drudenfuß verglich.

Es schmunzelte nicht nur die ganze Electrostar-Familie - es schmunzelten Tausende mit ob solcher "Frechheit" und solcher Courage. Denn: "Gefährlich war's, den Ley zu wecken!"

Mit den Einrichtungen des Dritten Reiches mußten die Electrostar-Männer mehr als einmal Bekanntschaft machen. Auf der Leipziger Messe 1936 wurden der Prokurist Bauer und Robert Schoettle jr. von der Gestapo auf dem Stand verwarnt, weil sie während einer Rede des Führers, die durch Lautsprecher übertragen wurde, ihre Arbeit nicht unterbrachen. Was kümmerte es die Nazi-Polizei, daß Electrostar im Begriffe war, einen wichtigen Export- Vertrag mit der S. A. Monopole Antwerpen abzuschließen und dann deren Direktor Carvens eine Stunde später zurückreisen wollte?

Die Rede des "Führers" war ihr viel wichtiger und durfte keinesfalls von dem Geklapper der die letzten Paragraphen fixierenden Schreibmaschine gestört werden.

Sei's drum: Der Vertrag wurde fertiggestellt, Monsieur Carvens reiste ab und Robert Schoettle jr. wurde von der Gestapo abgeführt.

Wenn auch die Haft nur Stunden währte, so zeigt dieser Vorfall treffend die Praktiken des Dritten Reiches.

Als man wieder nach Reichenbach zurückkehrte, war der erste Auftrag aus Antwerpen schon da; aber auch eine Meldung aus Leipzig hatte schon über die württembergische Gauleitung den Ortsgruppenleiter in Reichenbach erreicht, der gleichzeitig angewiesen wurde, die Firma Schoettle sofort nachzuprüfen und bezüglich ihrer politischen Haltung zu überwachen.